Enteignung
Tief in mir ist ein Bereich, der rein und unberührt ist. Es ist wie ein verborgener Schatz in mir. Er ist rein und kostbar. Und das soll auch so bleiben!
Ich muss mit aller Kraft verhindern, dass er mir genommen wird.
Ich muss diesen Bereich beschützen, er darf nicht berührt werden, denn sonst geht das, was daran rein und kostbar ist, verloren.
Selbst wenn es nur ein kleines Stückchen ist, darf das nicht passieren. Wenn ich es verlieren würde, würde das das Ende bedeuten. Wenn es dieses kostbare und gute nicht mehr geben würde, wäre es mit mir vorbei. Es ist das einzige Schöne und Unberührte in mir. Es ist das, was mich ausmacht.
Und ich glaube, dass hier der vielleicht entscheidende Punkt in der Beziehung zu meiner Mutter liegt. Sie hat mir nämlich dieses Kostbare immer weggenommen.
Sie hat es genommen und daraus schöne Geschichten gemacht, die sie anderen Leute erzählen konnte („schau doch, was für ein liebes und wunderbares Kind ich habe“).
Sie hat mir meinen aller eigensten, inneren Bereich genommen, enteignet und es in etwas anderes verwandelt. Und es auch noch anderen Leute erzählt!
Das habe ich ihr sehr übel genommen.
Und irgendwann habe ich natürlich angefangen diesen Bereich zu schützen.
Ich zeigte die dazu gehörenden Gefühlen nicht mehr. Behielt sie für mich. Schön in meinem Innersten verborgen und so für niemanden erreichbar.
Es kostet mich jetzt auch sehr viel Mühe und eine gehörige Portion Mut aufzuschreiben, was diesen Bereich eigentlich ausmacht.
Es betrifft meine Gefühle von Zuneigung, Zärtlichkeit, Gerührtheit und Liebe.
Immer wenn diese Emotionen ins Spiel kommen, muß ich sie beschützen und verteidigen.
Ich komme mir vor wie ein kleiner Junge auf dem Strand der mit allerletzte Kraft und Verzweiflung seine Sandburg gegen die immer höher anrollenden Meereswellen verteidigt.
Aber ich darf diese reinen und kostbaren Gefühle, koste es was es wolle, nicht verlieren! Es würde meinen Tod bedeuten.